Die richtigen Worte finden: Was du zu Trauernden sagen kannst

Lena Hedemann Tabuthema

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Wie gehe ich mit jemandem um, der gerade einen geliebten Menschen verloren hat? Nachdem unsere Tochter Lina in der 14. Schwangerschaftswoche gestorben ist, habe ich gemerkt, dass viele Leute gar nicht wussten, was sie sagen sollten. Und das ihnen das selbst so unangenehm war. Sie hätten nämlich gerne etwas gesagt. Manchmal fühlte ich mich fast verantwortlich für die unangenehme Situation, die dadurch entstanden ist.

So haben viele einfach gar nichts gesagt und auch ich habe versucht dem möglichst aus dem Weg zu gehen.

Als vor neun Jahren mein Verlobter Roman gestorben ist, ging es mir ähnlich. Ich habe dann versucht so zu tun, als geht es mir wieder richtig gut, um solche Situationen zu vermeiden. Um ja niemanden mit meinen Gefühlen zu belasten und auch um weiterhin dazu zu gehören.

Ich hatte sogar Angst, dass die Freunde nichts mehr mit mir zu tun haben wollten, wenn ich meine ganzen Gefühle zeige.

Als ein paar Jahre später der Vater meiner lieben Freundin Theresa gestorben ist, stand ich aber genauso hilflos da. Hatte auch Angst etwas Falsches zu sagen. Deshalb schreibe ich heute diesen Artikel. Nicht weil ich die perfekte Lösung schon gefunden habe, denn glaube die ist sowieso sehr individuell. Ich schreibe hier von meinen Erfahrungen, davon was mir geholfen hat und was ich gar nicht gut fand. Damit es weniger Berührungsängste gibt.

Hier kommen zehn Dinge, die ich für mich gelernt habe:

1. „Wie fühlst du dich heute?“

Die Frage “wie geht´s?” rutscht oft ganz automatisch raus. Aber wie soll ein Trauernder die beantworten? Die Antwort lässt sich kaum in zwei Sätzen zusammenfassen. Wenn du ehrlich wissen willst, wie es mir geht, dann frage: „Wie fühlst du dich heute?“ Bitte keine Vorgaben („Morgen wird bestimmt noch einmal richtig schwer“), weil du denkst, du weißt, wie ich mich fühle. Es ist ja nicht alles nur Schmerz. Es gibt genauso auch Freude, Erleichterung oder Liebe. Und mein Schmerz fühlt sich vielleicht gar nicht wie deiner an.

2. „Ich denke an dich.

Als vor ein paar Jahren mein Schwiegervater gestorben ist, habe ich den Freunden von meinem Mann geschrieben. Mir war klar, dass sie auch nicht wussten, was sie schreiben sollten, also habe ich ihnen direkt eine Empfehlung gegeben. Sie waren so dankbar dafür und meinem Mann hat es sehr gutgetan, von ihnen zu hören. Sonst hätten sie vielleicht gar nicht geschrieben aus Angst etwas Falsches zu sagen.

Ich habe empfohlen einfach zu schreiben, dass sie an ihn denken. Oder zwischendurch immer mal wieder ein Herz per Messenger zu schicken. Dann braucht der Andere auch nicht lang zu antworten, sondern kann einfach ein Herz zurückschicken.

Zeig, dass du Anteil nimmst.

Es ist doch irgendwie schade, wenn die, die gerne ihre Anteilnahme zeigen würden, es nur nicht machen, weil sie Angst haben, es könnte unpassend sein.

Die Freunde von meinem Mann haben auch einen Blumenkranz zur Beerdigung geschickt und ich weiß, dass ihm das sehr viel bedeutet hat.

Weißt du was mir auch geholfen hat, waren die Karten. Ich bin jeden Tag wie eine Irre zum Briefkasten gerannt. Das ist vielleicht eine altmodische Tradition, aber mir hat das geholfen zu sehen, wie viele Menschen Anteil nehmen. Und die standen dann zuhause bei uns und haben uns die ganze Zeit daran erinnert wieviel Menschen bei uns sind gedanklich. Das war irgendwie tröstend, weil es so sichtbar war.

Theresa

3. „Es tut mir so leid.

Das ist nur mein ganz persönlicher Geschmack, aber für mich hört es sich „mein Beileid“ nach einer Floskel an. Ich weiß, man sagt es so. Aber so rede ich halt sonst nicht. Ein „es tut mir leid“ oder sogar ein „oh Scheiße“ hört sich für mich authentischer an. Auch ein ehrliches „ich weiß nicht, was ich sagen soll“ finde ich ok.

4. Rede über den Verstorbenen

Nachdem Roman gestorben ist, wollte ich über ihn reden. Immer und immer wieder. Auch im Alltag. Über lustige Geschichten von ihm lachen. Einen Kommentar einfügen mit dem, was er jetzt gesagt hätte. Ihn nicht totschweigen. Ich habe mir gewünscht, dass die anderen das auch machen, aber gemerkt wie groß die Hemmungen waren. Auch aus Angst, ich könnte dann in Tränen ausbrechen, haben sie vermieden seinen Namen auszusprechen. Aber mir tat genau das gut.

Habt keine Angst das Thema anzusprechen. Ich war auch total glücklich als eine Freundin von mir gefragt hat, ob sie die Fotos von Lina sehen darf.

5. Respektiere wie ich meine Trauer zeige

Die Zeit heilt alle Wunden? Wie gerne hätte ich eine Checkliste gehabt, um richtig und effizient zu trauern. Damit ich alles richtig mache und sich das schnell erledigt habe. Eine Zeitlang dachte ich auch tatsächlich, ich hätte das hinbekommen. Ich kann das besser als andere und deswegen ist mein Weg auch der einzig richtige. Gelernt habe ich, dass ich es erstens nicht besser kann und auch zweitens jeder Mensch anders trauert und sich sogar die Trauer niemals gleich anfühlt: Die Trauer um meine Tochter ist anders als die Trauer um meinen Verlobten. Sich in Beschäftigung zu stürzen ist genauso ok, wie auf dem Sofa liegen zu bleiben.

Niemand hat das Recht darüber zu urteilen. Mir tut es gut darüber zu reden, andere machen das alleine mit sich aus.

Gelernt habe ich, dass ich es erstens nicht besser kann und auch zweitens jeder Mensch anders trauert und sich sogar die Trauer niemals gleich anfühlt: Die Trauer um meine Tochter ist anders als die Trauer um meinen Verlobten. Sich in Beschäftigung zu stürzen ist genauso ok, wie auf dem Sofa liegen zu bleiben. Niemand hat das Recht darüber zu urteilen. Mir tut es gut darüber zu reden, andere machen das alleine mit sich aus.

Durch das Buch „Trauernde Eltern“ habe ich verstanden, wie auch insbesondere Männer und Frauen sich unterschiedlich ausdrücken. Und dass es nicht bedeutet, ob einer von beiden mehr oder weniger trauert.

Die Zeit heilt nicht alle Wunden. Aber trauern braucht Zeit.

Vorschläge wie man trauern und/oder heilen sollte, basieren auf der Annahme, dass du es besser weißt, wie man der Trauer umgehen sollte. Aber das weißt du nicht. Vielleicht geben sie dem anderen sogar das Gefühl, er macht etwas falsch.

6. Zeig mir deinen Schmerz

Sag mir nicht, du weißt, wie ich mich fühle. Das weißt du nämlich nicht. Selbst wenn dir schon etwas ähnliches passiert ist, heißt das nicht, dass ich mich genauso fühle, wie du damals. Was ich aber stattdessen sehr berührend fand war, als mir Menschen ihre Geschichten erzählt haben. Ihren eigenen Schmerz mit mir geteilt haben. Oder authenitsch gezeigt haben, wie sie um den Verstorbenen trauern, auch wenn sie ihm vielleicht nicht so nahe standen wie ich ihm. Erzähl wie sehr die Geschichte berührt. Ohne den Anspruch, dass es mir genauso gehen muss. Ich fand diesen Austausch sehr heilsam, denn dadurch fühlte ich mich verstanden und weniger einsam.

7. Melde du dich

Das ist natürlich lieb gemeint, wenn du sagst „Du kannst dich jederzeit bei melden.“ Und man will natürlich denjenigen auch nicht zu sehr bedrängen. Aber ich war ganz ehrlich nicht in der Lage gewesen mich bei jemanden zu melden und war froh über diejenigen, die auf mich zugekommen sind.

Es ist ok, sich immer und immer wieder zu melden, auch wenn ich nicht lange antworte. Es ist auch viel besser konkret etwas vorzuschlagen als zu sagen: „Melde dich, wenn du etwas brauchst.“ Das machen die meisten Trauernden nämlich nicht. Meine Vorschläge wären beispielsweise: „Möchtest du, dass ich heute zu dir komme?“ oder „Kann ich dir heute Abend etwas zu essen vorbeibringen?“

8. Ein Ersatz tröstet mich jetzt nicht

Ich weiß nicht, wie oft ich diesen Satz nach Romans Tod gehört habe:

Du bist doch noch so jung.

Er war sicherlich dazu gedacht, um mir Hoffnung zu machen. Er hat mich aber einfach nur wütend gemacht. Genauso wie der Satz „immerhin weißt du jetzt, dass du schwanger werden kannst“ nach der Fehlgeburt. In diesem Moment habe ich genau diesen Menschen betrauern und keinen Ersatz und deswegen empfehle ich solche Sätze wegzulassen.

9. Behalte deine Überzeugungen bei dir

Du glaubst vielleicht an Gott und dass es so hat sein müssen. Was auch immer es ist, behalte es für dich. Du kannst nicht wissen, wo ich in Bezug auf deinen Glauben stehe. Lass mir meinen. Respektiere meinen Standpunkt zum Glauben, auch wenn ich vielleicht sogar mein Vertrauen darin verloren habe.

Nathalie Himmelrich in dem Buch “Trauernde Eltern”

Nachdem ich „erkannt“ hatte, dass die Seele unsterblich und der Tod somit ja gar nichts schlimmes ist, habe ich mit meinem spirituellen Zeigefinger alle darin erinnert, sie mögen doch jetzt bitte alle aufhören zu trauern. Die Seele ist schließlich noch da und es gibt keinen Grund dazu. Das tut mir heute echt leid. Meine eigene Trauer habe ich mit diesem Glauben unterdrückt und wenn sie sich doch gezeigt hat, dann habe ich das als Zeichen gesehen, dass ich etwas falsch mache.

Da gibt es vielleicht eine Überzeugung, die dir hilft dem ganzen einen Sinn zu geben. Wenn du dabei von dir und deiner Geschichte sprichst, ist das ok. Aber ich muss das für mich selbst finden, ich will nicht, dass du mir das sagst.

Behalte deinen religiösen Glauben, spirituelle Ideen und Ideologien für dich:

– Gott brauchte einen besonderen Engel

– Es war Gottes Plan

– Es war so vorgesehen

– Es war in seinem Lebensplan

– Euer Kind hat getan, was es hier zu tun hatte, und es war seine Zeit, zu gehen

Nathalie Himmelrich in dem Buch “Trauernde Eltern”

10. Verhalte dich ganz normal

Ich war so froh, wenn Leute mir einfach ganz normal begegnet sind. Ihre Gefühle so gezeigt haben, wie sie da sind und nicht dachten, sie müssten jetzt vor mir die ganze Zeit mit einem traurigen Gesicht rumlaufen. Und auch Lachen und Witze sind erlaubt.

Trauer ist ja nicht immer nur traurig die ganze Zeit. Ich habe in der Zeit auch viel Liebe, Verbundenheit und sogar Glück erfahren. Manchmal hatte ich das Gefühl, die Leute sind deswegen irritiert. Nach dem Motto: Wieso lacht sie denn und ist heute so gut drauf, wenn gerade ihr Freund gestorben ist?

Was ich auch krass finde ist, wie man eine Rolle spielt Man is irgendwie die Trauernde, auch wenn man gerade gelacht hat. Wenn einer fragt, sagt man wie schlimm alles ist, auch wenn das in dem Moment gar nicht stimmt. Und andersrum wenn eine bestimmte Zeit vorbei ist, sagt man das alles gut ist, auch wenn das nicht stimmt.

Theresa

Ich weiß es gehört auch Überwindung dazu jemanden zu kontaktieren, der gerade einen Verlust erlitten hat, denn es bringt einen ja auch selbst in Verbindung mit den eigenen Gefühlen. Es macht bewusst: So etwas könnte mir auch passieren. Ich bin sehr dankbar für diejenigen, die bei mir waren und sich dabei „normal“ verhalten haben. Sie konnten meine Tränen aushalten und genauso auch mit mir lachen und über alltägliche Dinge reden. Mir hat es gut getan immer wieder darüber zu reden und es haben sich auch so viele schöne, bewegende Gespräche daraus ergeben. Ich habe mir aber auch erlaubt manche Menschen gerade nicht zu sehen. Eine Freundin, die ein kleines Baby hat, kann ich im Moment nicht zu gut treffen. Und ich bin dankbar, dass sie das respektiert und sich nicht dadurch abgelehnt fühlt.

Wie geht es dir damit? Hast du schon einmal so eine Erfahrung gemacht? Ich freue mich, wenn du deine Erkenntnisse teilst und einen Kommentar hinterlässt.

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